Takahama Kyoshi, Lehrmeister des modernen Haiku in Japan
- Maria Schuppler

- 21. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Dieser Dichter lebte um die Jahrhundertwende am Anfang des 20. Jahrhunderts. Und sein Leben ist eng verknüpft mit der Etablierung des modernen Haiku in Japan. Er entwarf Lehrsätze zur Gestaltung von Haiku und was Haiku genau ausmacht. Deshalb möchte ich ihn hier vorstellen
Das Leben von Takahama Kyoshi ist geprägt von Unruhe, Ortswechseln, immer neuen Anfängen. 1874 wurde er in Matsuyama geboren und starb 1959. Er erlebte den Übergang Japans in eine moderne industrielle Gesellschaft, war Schriftsteller, Autor von Romanen und Kurzgeschichten, Herausgeber der von Masaoka Shiki gegründeten Haiku-Zeitschrift Hototogisu. 39-jährig kehrte er wieder zurück zu seinem dichterischen Ursprung, dem Haiku, das er für die moderne Welt erhalten wollte.
So wurde er "Lehrmeister" des modernen Haiku schlechthin. Er entwickelte Lehrsätze, die klarmachen, was ein Haiku enthalten sollte. Er legte auch an sich strenge Maßstäbe. Dazu schrieb er eine Sammlung von Jahreszeitenwörtern, die kennzeichnend sind für japanische Haikus, und an die sich Haiku-Dichter wenden können. Nach seiner Auffassung bildet das Jahreszeitenwort (Kigo) zusammen mit "Naturbildern" den Kern eines Haikus. Diese "besingen" die Vögel und die Blumen/Pflanzen. Dazu kommen verschiedene weitere Aspekte, die ich unten kurz anführe. Sie sind sehr gut beschrieben im Buch seiner Enkelin, Inahata Teiko, "Welch eine Stille" (Quelle s.u.)
Für seine Verdienste wurde er in Japan mit dem Kulturorden ausgezeichnet.
Seine Rezeption in Deutschland ist eher verhalten, wobei in der Anfangszeit des Haiku in Deutschland einige seiner Lehrsätze sehr streng ausgelegt wurden, bis klar wurde, daß die deutsche und japanische Sprache kaum adäquat übertragen werden können. Aber das ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls sind seine Lehrsätze immer wieder Quelle von Inspiration und bieten Möglichkeiten, Haiku auch in deutscher Sprache zu verfassen und modern auszulegen.
Takahama Kyoshis Lehrsätze:
jahreszeitliche Themen voll ausschöpfen (Jahreszeitenwort, "Kigo", zB "Kirschblüten" für Frühling, "Ahornblätter " für Herbst)
voller Aufmerksamkeit den Haiku-typischen Rhythmus beachten ( mit einem sogenannten "Schneidewort" entsteht eine Zäsur und damit wird eine Spannung erzeugt, die den Rhythmus prägt)
einfache, klare Schilderung ("Schlichtheit und Nachklang" entstehen durch das Auslassen von Worten, sodaß im Leser ein Nachhall erzeugt wird)
das Entdeckte schildern (der Kosmos des Autors erschafft ein Naturbild, das das Herz des Dichters durchläuft und so lebendig wird )
vereinfachen und konkretisieren (ein Haiku - ein Thema, also nicht zu vieles hineinpacken wollen, dafür dieses Thema aber konkret darstellen)
Blumen und Vögel besingen (ein Haiku beschreibt einen Vordergrund, zB durch ein Kigo, im Hintergrund aber schimmern die Empfindungen des Dichters durch)
Haiku auch als Gruß verwenden (ursprünglich war das Haiku der Anfangsvers eines Kettengedichts, dieser Beginn war ein Gruß des Hauptgastes, zB an den Gastgeber, einen Teilnehmer, einen Wohnort...., als Gruß an Natur und Mensch, auch an sich selbst oder an transzendente Wesen)
zu 1.
einem fallenden
Blütenblatt sehe ich nach -
welch eine Stille!
zu 2.
ich schau auf den Fluss.
Da fällt die Bananenschale
aus meiner Hand.
zu 3.
Das alte Jahr und
das neue: etwas zieht sich
durch wie ein Stab
zu 4.
Vom Strom mitgerissen
fließt ein Rettichblatt dahin -
wie schnell es sich bewegt!
zu5.
auf den fernen Berg
fällt noch der Sonnenschein -
das verdorrte Feld!
zu 6.
Stehe ich unter
dieser Kiefer, bin auch ich
ein Tautropfen
zu 7.
Es gibt jetzt keine mehr,
die Feinde genannt werden.
Mond am Herbsthimmel
( nach Kriegsende 1945 gedichtet...)
Quellen:
Inahata Teiko, "Welch eine Stille! die Haiku-Lehre des Takaham Kyoshi", Tokio 2000, deutschsprachige Ausgabe : Stefan Wolfschütz, BoD, ISBN: 978-3-743126-06-0
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